Benutzer:Liberaler Humanist/Über den Umgang mit Diven

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Jânio Quadros kündigte als Präsident Brasiliens seinen Rücktritt an, in der vergeblichen Hoffnung, die Massen würden für ihn auf die Straße gehen.

Allüren einer Diva treten gelegentlich bei langjährigen Mitarbeitern der Wikipedia auf. Die Allüren nähren sich unter anderem aus der nicht unbedingt falschen Überzeugung einzelner besonders aktiver Autoren, aufgrund ihrer Beiträge und Aktivitäten besonders wesentlich für die Wikipedia zu sein. Im Gegensatz zum grammatischen Geschlecht sind die meisten Diven innerhalb der Wikipedia männlich.[1] Die meisten Wikipedia-Autoren und insbesondere die mehreren Hundert Power-User, die (jeweils zu einem Zeitraum) laut Aaron Swartz einen Großteil des Wikipediamedieninhalts erstellen, sind Männer.[2]

Der Umgang mit den darunter befindlichen Diven, die ihre Rangstellung als besonders wichtig empfinden und die diese gern bestätigt sehen, ist ein wichtiger informeller Aspekt der Wikipedia. Die nachstehend aufgeführten Regeln und Erfahrungen beziehen sich auf informelle Verhaltensweisen. Es soll dabei das als realexistierend angesehene Phänomen der Wiki-Diva nicht negiert oder unterdrückt sondern zum pragmatischen Umgang damit angeregt werden.

Charakteristische Merkmale von Diven

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Die folgenden Verhaltensweisen deuten darauf hin, es mit einer Wiki-Diva zu tun zu haben:

  • Diven zicken gern und neigen als Platzhirsche dazu, Neulinge, die sich in „angestammte“ Bereiche trauen, einzunorden.
  • Diven pflegen langdauernde Querelen mit Liebe und Detailgenauigkeit: Für die Diva ist es wichtiger, den eigenen Willen durchzusetzen, Statuserhalt zu sichern, als ein Problem zu lösen. Sie nutzt Sachauseinandersetzungen dazu, ihren Status zu betonen und andere auf die ihnen zustehenden Plätze in der Rangordnung zu verweisen. Zwischen Diven verschiedener Peergroups kommt es gelegentlich zu – für Dritte durchaus unterhaltsamen – Auseinandersetzungen, die sich bis zum Schimpfwettbewerb im Sinne eines Playing the dozens steigern können.
  • Diven wollen andere Benutzer an ihrer Unverzichtbarkeit für das Projekt teilhaben lassen. Diven verweisen häufig auf ihren Editcount sowie auf die lesenswerten und exzellenten Artikel, an denen sie beteiligt waren. Indem sie ihren eigenen Nutzen betonen, werten sie ihre Kontrahenten ab, versuchen auf diese Weise also eine Form der Selbstaufwertung.
  • Diven neigen zu pompösem Auftreten im Stile Max Colpets Hoppla hier komm ich und haben einen ausgeprägten Hang zur Selbstdarstellung: Dieser kann sich in aufwändig gestalteten Benutzerseiten manifestieren. Solche Benutzer sind auf vielen Metaseiten zu finden, um in möglichst vielen Threads ihre Meinung zu allen möglichen Themen abzugeben.
  • Diven neigen zur gegenseitigen Verleihung und Gewährung von Wikipedia-Orden und Ehrenzeichen und organisieren die wechelseitige Aufnahme in Gilden, Logen und Vereine. In der englischen Wikipedia sind diese unter en:Wikipedia:Service awards systematisiert. In ganz ausgeprägten Fällen verleihen sie die Orden an sich selbst. Umgekehrt kommt es insbesondere bei Nordlichtern zu einem sozusagen hanseatischen Antidiventum, welches Orden verweigert und eine möglichst reduzierte Gestaltung etwa von Nutzerseiten und einen hohen Anteil von „nützlichen“ Artikeledits betont.
  • Diven scharen gerne Jünger um sich, lassen sich gerne anhimmeln und neigen dazu, häufig damit zu drohen, das Projekt zu verlassen. Diven ziehen sich oft zurück, bleiben zumeist nicht länger als einige Tage oder Wochen der Wikipedia fern.

Inszenierte Abgänge

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Eine Diva tritt gerne theatralisch auf und inszeniert gekonnt zeitweilige Abgänge aus dem Projekt. Ein „Ausstieg“ oder eine „Wikipause“ fällt dabei oft mit einer langen Tirade gegen einen bestimmten Umstand zusammen, der sie diesmal vom Projekt vertrieben hat. Dieser Tirade folgt, so die Hoffnung der Diva, eine Flut von „Bitte geh nicht, Du bist so wichtig für uns“-Nachrichten anderer Benutzer, die zum Hofstaat der Diva gehören. Als Nebeneffekt wird die Position der Diva in der Auseinandersetzung, die zum diesmaligen „Abschied“ führte, gestärkt. Schlussendlich erreicht die Diva das, was sie braucht – Bestätigung und Unterstützung –, und kehrt, sobald sie ausreichend Aufmerksamkeit erhalten hat, mehr oder weniger triumphierend in das Projekt zurück. Bis zum nächsten Konflikttheater macht sie dann ganz normal Artikelarbeit.

Dieser Kommentkampf (Mauling) zweier weiblicher Hornissen dauert zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits über 15 Minuten.

Divenverhalten macht konflikt- und spieltheoretisch betrachtet Sinn. Es geht darum, Statusauseinandersetzungen zwischen langgedienten Usern nicht gleich auf Leben und (virtuellen) Tod im Sinne eines Beschädigungskampfes mit finalem Ausschluss eines der Kämpfer, sondern mit einem hohen Grad an Ritualisierung als Kommentkampf durchzuführen.

Beschädigungskampf Kommentkampf
Beschädigungskampf 1-Schaden (d) Gewinn 2
Kommentkampf Kein Gewinn Gewinn 1

Bezeichnet man den zu erwartenden Gewinn von Kommentkämpfern mit und den der Beschädigungskämpfer mit , so ergibt sich für Kommentkämpfer und Beschädigungskämpfer mit obiger Matrix:


Es ist daher zu erwarten, dass sich bei einem zunächst nicht groß formalisierten Onlineprojekt zwischen den länger anwesenden Teilnehmern ritualisierte, informelle Formen des Comments und anerkannter Umgangsformen der Status- und Revierabgrenzung und der zugehörigen Konfliktaustragung ausbilden.

Diven spielen wie der rein männliche Dandy im Umfeld des Camp und zeichnen sich durch einen überpointierten, am Künstlichen und der Übertreibung orientierten Stil aus. Als „campy“ erlebte Divenästhetik ist nicht nur Teil der Trivial- oder Populärkultur geworden. Sie dient zudem einer ästhetischen Aufwertung von Zielrichtungen, für die unterschiedlichen Diven innerhalb der Community und deren Untergruppen stehen. Diven untereinander können ganz schön bissig sein, wie etwa in den Worten eines altgedienten Schwabinger Bohemiens über den als Partytod verorteten George-Kreis:

„Feierlich sein ist alles! Sei dumm wie ein Thunfisch, temperamentlos wie eine Qualle, stier besessen wie ein narkotisierter Frosch, aber sei feierlich, und du wirst plötzlich Leute um dich sehen, die vor Bewunderung nicht mehr mäh sagen können“

Otto Julius Bierbaum[3]

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Wie geht man mit Diven um?

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Datei:Maria Callas (La Traviata) 2 (cropped).JPG
Die Sopranistin Maria Callas, Inbegriff der schönen und begabten Diva
Janteloven als Gedenktafel

Wie Trolle heischen Diven nach Aufmerksamkeit. Während ein Troll destruktiv ist und wirkt, sind Diven durchaus konstruktive Mitarbeiter – zumindest dann, wenn sie gerade nicht beleidigt abziehen oder andere, aus ihrer Sicht weniger ranghohe und aktive Teilnehmer verschrecken und kleinhalten.

Im Gegensatz zu weniger illustren produktiven Mitarbeitern verwenden Diven ihre guten und ausgezeichneten Beiträge gegen andere Benutzer. Für Diven ist die produktive Mitarbeit weniger Selbstzweck, sondern ein Mittel zu mehr Ansehen und Macht innerhalb ihrer Gruppe. Ihr Ansehen wird zu einer Währung: In Konflikten können sie es gegen die Unterstützung von anderen Benutzern eintauschen.

Einer egalitären Wikipedia ist am besten gedient, wenn man analog dem Skandinavischen Modell mit dem Janteloven Aksel Sandemosens alle Mitarbeiter einbezieht:

  1. Du sollst nicht glauben, dass du etwas bist.
  2. Du sollst nicht glauben, dass du genauso viel bist wie wir.
  3. Du sollst nicht glauben, dass du klüger bist als wir.
  4. Du sollst dir nicht einbilden, dass du besser bist als wir.
  5. Du sollst nicht glauben, dass du mehr weißt als wir.
  6. Du sollst nicht glauben, dass du mehr bist als wir.
  7. Du sollst nicht glauben, dass du zu etwas taugst.
  8. Du sollst nicht über uns lachen.
  9. Du sollst nicht glauben, dass sich irgendjemand um dich kümmert.
  10. Du sollst nicht glauben, dass du uns etwas beibringen kannst.[4]

Allerdings macht die Diva Neulingen gerne klar, dass das Janteloven vor allem auf sie zutrifft, und verwendet es nach dem Motto „Da kunnt ja jeder kommen, das haben wir immer schon so gemacht“ als Totschlagargument.

Die Tobsuchtsanfälle der Diven sind zu ignorieren. Wenn Diven davonstürmen, dann lasst sie!. Wenn man sie zu innig bittet, zu bleiben, bestärkt man sie in ihrem Tun und wird bald mit der nächsten Abschiedsdrohung konfrontiert werden. Die Diva wird mit Sicherheit zurückkehren, hoffentlich mit einer besseren Einstellung. Die Diva, die keine übertriebene Aufmerksamkeit erhält, wird feststellen, dass sie in dem gerade avisierten Umfeld nicht wichtiger als andere Benutzer ist und dass ein einzelner Benutzer ein Projekt von dieser Größe nicht bestimmen oder zerstören kann.

Langjährige Benutzer, die das Projekt tatsächlich dauerhaft verlassen, tun dies meistens schleichend und ohne pathetische Abschiedsreden.

Rolle der Diva für die Wikipediaerlebniswelt

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Bei riesigen Divenanfällen fressen Sie die Packungsbeilage und schlagen Ihren Arzt oder Apotheker

Einer zeitweisen Verwandlung in eine Diva kann einer bekannten Fernsehwerbung zufolge mit Süßzeug abgeholfen werden.[5]

Wikipedianer bieten einander bei aufkommenden Krawallen und Zickenkriegen zuweilen virtuelles Popcorn oder Getränke an. Letzteres ist ein beliebtes Ritual im Wikipedia:Café. Dies nicht unbedingt, um die genannten Auseinandersetzungen und Zickenkriege zu reduzieren, sondern schlicht um den Genuss eines solchen unter dem Motto Ganz großes Kino mit anderen Zuschauern zu teilen. In dem Sinne sind Diven und ihre Allüren ein wichtiger Bestandteil der Erlebniswelt Wikipedia und machen einen wichtigen Anteil des Unterhaltungswerts des von manchen als MMORPG (vgl. Wikipedia:Humorarchiv/WykiWars) interpretierten Erstellens einer Enzyklopädie aus.

Die Jüngerschar der Diva hat in der zumeist von männlichen Autoren geprägten Wikipedia einen männerbündischen Aspekt. Wie einst Filippo Tommaso Marinetti oder Stefan George ziehen Wikipedia-Diven Bewunderer an, die die Diva bei ihren Auftritten und ihrer Artikelarbeit beistehen. Vergleichbar dem Auftrieb und Bohei bei The Factory oder dem klassischen Salon scharen erfolgreiche Diven weitere Stars und Sternchen der Wikipedia-Szene und High Society um sich, die zur Zeiten der Abwesenheit der Diva zur Mehrung derer Ruhm und Ehre beitragen.

Puppenspieler mit einem der bekanntesten Antidiven und Grantler außerhalb Altbayerns

Die von den Diven gewährte Patronage hat stabilisierende Aspekte, Neuankömmlinge finden damit Rollenmodelle für ihr eigenes Editierverhalten. Das Verhalten von Diven kann ebenso neue Benutzer abschrecken und vertreiben. Damit erfüllt das Pfauengehabe der unterschiedlichen Diventypen in der Wikipedia eine gewisse Funktion als Attraktor, der Neuankömmlinge auf die verschiedenen Gruppen aufmerksam macht und einführt. Diven gründen Clubs, Debattiergremien und Stammtische und verleihen so der gemeinen Artikelarbeit einen höheren Glanz und Glamour beziehungsweise lösen sich von diesen irdischen Sphären in die Metaphysik.

Alternativ möge man sich von der eigenen Grantlerei lösen. Da mag es einem ergehen wie dem grantelnden, schlecht gelaunten Beamten aus Ludwig Thomas Der Postsekretär im Himmel, der im Eingangsbereich des Himmels sein Weissbier vermisst und dann von einem leibhaftigen Georgejünger mit hüpfenden Gange mit den Worten Komm seltsamer Geist ich will Dich führen in die himmlischen Sphären geleitet wird.[6]

Einzelnachweise

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  1. Ein im Gegensatz zum Generischen Maskulinum seltener Fall eines Generischen Femininums, ähnlich wie bei Hebamme.
  2. Aarons Schwartzens Essay on Who Writes Wikipedia? Blogeintrag bei Aaron Swartz 2006.
  3. zitiert nach Bierbaums Steckbriefen von 1900, S. 122 in Aufbrüche, Seitenpfade, Abwege: Suchbewegungen und Subkulturen im 20. Jahrhundert; Festschrift für Ulrich Linse, Autoren Ulrich Linse, Judith Baumgartner, Bernd Wedemeyer-Kolwe, Herausgeber Ulrich Linse, Judith Baumgartner, Bernd Wedemeyer-Kolwe, Verlag Königshausen & Neumann, 2004, ISBN 382602883X
  4. Als elftes Jantegesetz wird oft angeführt, „Glaub nur nicht, daß wir nicht über Dich so einiges wissen“
  5. Wer von euch Vollpfosten hat mein Deo geklaut? Diven-Alarm: Joan Collins zickt für Snickers, W&V12.01.2012 um 15:00 Uhr
  6. Der Postsekretär im Himmel:und andere Geschichten, Ludwig Thoma, Ullstein & co., 1914 - 312 Seiten